Carcassonne

Carcassonne, weit mehr als nur ein Brettspiel

Eine Überschrift, die zunächst wie ein Scherz klingt, hinter der aber ein kleines Fitzelchen Wahrheit steckt. Es gibt nämlich nicht wenige, die denken, der Name „Carcassonne“ bezeichne ausschließlich ein Brettspiel, obwohl die Stadt im Süden Frankreichs eines der beliebtesten Reiseziele des Landes ist.

Wie jeder, der diesen Blog schon länger kennt weiß, liebe ich Geschichte und alte Legenden. Ganz klar also, dass auf dem Weg nach Süden Carcassonne mit seiner Geschichte ganz oben auf der Liste der Orte stand, die ich unbedingt besuchen wollte.

Carcassonne und die Legende um ihren Namen

Auch dieser Artikel beginnt mit einer Legende, der Legende um den Namen der Stadt, die im 16. Jahrhundert aufkam, die aber historisch gesehen nicht stimmen kann. Erzählen möchte ich sie trotzdem.

Anfang des 8. Jahrhunderts war Carcassonne von den aus Spanien eindringenden Mauren eingenommen worden und besetzt.

Der Legende nach rettete eine Prinzessin namens Madame Carcas, die Frau des Maurenkönigs Balaak, die Stadt vor der Zurückeroberung und Vernichtung durch Karl den Großen, mit einer List.

Nachdem Balaak und seine Armee von Karl dem Großen vernichtend geschlagen und getötet worden waren, war der Weg für den Kaiser nach Carcassonne eigentlich frei, aber die Stadt ergab sich nicht und wurde deshalb fünf Jahre lang belagert.

Dame Carcas und das Schwein

Nach fünf Jahren wurden Wasser und Nahrung knapp, so dass viele der verbliebenen Soldaten starben. An diesem Punkt soll Madame Carcas folgende List ersonnen haben: Dame Carcas ließ eines der letzten in der Stadt verbliebenen Schweine mit einem der letzten Vorräte an Weizen mästen und warf es über die Mauer, den belagernden Franken direkt vor die Füße. Als diese das fette Schwein sahen, war die Überraschung und auch Resignation natürlich groß. Wenn eine Stadt es sich nach 5 Jahren noch leisten konnte, ein so fettes Schwein zu haben, dann mussten die Nahrungsvorräte noch richtig üppig sein.

Angesichts dieser Erkenntnis zogen die fränkischen Belagerer ab und Dame Carcas ließ alle Glocken ihrer Stadt läuten und in die Hörner blasen. Das hörten auch die abziehenden Belagerer und so soll ein Vertrauter zu Karl dem Großen gesagt haben: „Madame Carcas sonne!“, was so viel wie „Madame Carcas läutet“ bedeutet.

Karl der Große sei daraufhin umgekehrt, Madame Carcas kam ihm bereits entgegen und versprach ihm ewige Treue.

So, so die Legende, sei der Name entstanden und Carcassonne vor der Vernichtung gerettet worden.

​Das Auf und Ab in der Geschichte Carcassonnes

Auch wenn man die Stadt ohne geschichtliches Hintergrundwissen gut besuchen kann, schadet ein bisschen geschichtlicher Hintergrund nicht.

Das heutige Carcassonne war bereits in der Antike besiedelt und die Einwohner besaßen die römischen Bürgerrechte. Die Stadt hieß zur Zeit Cäsars Colonia Iulia Carcaso und ist damit wohl der wahre Namensgeber.

Im Jahr 462 n.Chr. eroberten die Westgoten die Stadt und gründeten das Bistum Carcassonne. Dreihundert Jahre lang konnten sie sich gegen die immer wieder anstürmenden Franken behaupten. Als aber im Jahr 725 n. Chr. die Sarazenen (Mauren) aus Spanien anrückten, mussten auch sie geschlagen aufgeben. Die arabische Herrschaft dauerte allerdings nur gut dreißig Jahre, bis Pippin der Jüngere Carcassonne eroberte und wie ganz Septimanien dem Frankenreich angliederte.

Brücke zum Schloss Comptal in Carcassonne
Blick auf das Schloss Comptal Carcassonne
Portale Narbonaise Carcassonne
An der Festungsmauer von Carcassonne
Strasse in der cité von Carcassonne
stellplatz andechs

​Nun wurde Carcassonne Sitz von Grafen und Vizegrafen, die hier jahrhundertelang weitestgehend autonom herrschten. Außerdem entwickelte sich die Stadt zur Hochburg der Katharer, der größten mittelalterlichen Laienbewegung. Die Katharer sahen sich als die „wahre“ christliche Kirche und sie lehnten das Alte Testament als Teil der Bibel und Schöpfungsgeschichte ab. Sie lebten antiklerikal, asketisch und wiesen Eigentum zurück. Ihr Ziel war es, die Seele zu befreien.

Carcassonne als Hochburg der Katharer, mit schrecklichen Folgen

Dies alles war der katholischen Kirche nicht nur suspekt, sie exkommunizierte die Katharer sogar und verfolgte sie durch die Inquisition als Ketzer. Die Hetzjagd der katholischen Kirche gipfelte Jahr 1209 in einem Kreuzzug gegen die Katharer, dem sogenannten „Albigenserkreuzzug“.

In Carcassonne, Hochburg der Katharer, lebten zu dieser Zeit ungefähr 3.000 bis 4.000 Menschen. Außerdem war die Stadt mit aus anderen Gebieten Geflüchteten überfüllt. Zwei Wochen hielt die Stadt der Belagerung durch die Kreuzzügler stand, dann kapitulierte sie. Diese zwei Wochen nutzten die Bewohner, um durch unterirdische Gänge aus der belagerten Stadt in die umliegenden Wälder zu fliehen. Den Kreuzzüglern ausgeliefert blieben die ungefähr 500 zurückgelassenen Menschen – vornehmlich Alte, Kinder und Kranke. Von ihnen durften 100 nackt und ohne irgendwelche Habseligkeiten die Stadt verlassen. Für die anderen 400, in den Augen der Inquisition, Häretiker, wurden Galgen aufgestellt und überall in der cité brannten die Scheiterhaufen.

Danach versank die Stadt in der Bedeutungslosigkeit und verfiel zusehends, zumal sich in den folgenden Jahrhunderten, in denen Carcassonne Krondomäne war und als wichtiger Grenzposten gegen Spanien galt, auf der anderen Seite der Aude die sogenannte Unterstadt entwickelte. Hier leben auch heute noch die meisten Einwohner Carcassonnes.

Ein Schriftsteller als Retter der cité

Der Verfall ging so weit, dass Napoléon im Jahr 1804 bereits den Abriss anordnete. Dazu kam es aber nicht und Mitte des 19. Jahrhunderts wurden diese Pläne vom französischen Schriftsteller und oberste Denkmalschützer unter dem Bürgerkönig Louis-Phillippe I., Prosper Merimée, endgültig ad acta gelegt. Er erkannte die Einmaligkeit der cité von Carcassonne und ordnete deren Rettung an. Seit dem Jahr 1844 kümmerte sich der Architekt Eugène Viollet-le-Duc um die Restaurierung der cité. Gut hundertfünfzig Jahre später, im Jahr 1997, wurde Carcassonne in die Liste des UNESCO Weltkulturerbes aufgenommen.

Basilika Saint-Nazaire Carcassonne
cité Carcassonne
Basilika Saint-Nazaire Carcassonne
cité Carcassonne
Basilika Saint-Nazaire Carcassonne
cité Carcassonne

Die cité von Carcassonne

Die cité von Carcassonne liegt auf einem Hügel oberhalb der und ist schon von weitem sichtbar. Am Rand der cité befinden sich genügend Parkplätze. Schöner ist es allerdings, sich die Festung zu „erarbeiten“ und den kleinen Anstieg zu Fuß zu bewältigen.

Man sollte sich über leere Gässchen keine Illusionen machen.  Carcassonne ist eins der beliebtesten Reiseziele Frankreichs und einige der jährlichen ungefähr vier Millionen Besucher*innen werden immer da sein.

Der Eintritt in die cité ist kostenlos, denn sie ist ja ein bewohnter Ort. Lediglich das Schloss Comtal und die Museen sind kostenpflichtig. Hier kann man alle Tickets online kaufen, das funktioniert übrigens auch noch direkt vor Ort. Hätte ich diese Information früher gehabt, dann gäbe es hier auch eine Bericht über das Schloss.

Normalerweise betritt man die cité von Carcassonne durch die  Porte Narbonnaise über die Zugbrücke. Innerhalb des beeindruckenden Tores aus dem 13. Jahrhundert, befindet sich außerdem eine sehr tiefe Zisterne und gleich daneben die ersten beiden der zweiundfünfzig Türme der Festungsanlage.

Nach dem Tor sieht man auf der rechten Seite die Touristeninformation. Hier gibt es einen kostenlosen Stadtplan und Informationen. Außerdem kann man hier Stadtführungen buchen.

Ein Spaziergang durch die cité von Carcassonne

Die cité ist keine Burg, sie ist eine Festungsanlage mit zwei gewaltigen Mauern und Wassergräben, die sich wie ein Kranz um den Berg winden.

Man lasst sich am besten durch die kleinen, verwinkelten Gassen mit den hübschen Häusern treiben und bekommt mit viel Fantasie eine Ahnung davon, wie sich das Leben hier im Mittelalter abgespielt hat. Viel Fantasie deshalb, weil sich natürlich überall Menschen drängen und vor allem in der Rue Cros Mayrevielle Bars, Cafés, Restaurants und Läden mit Kitsch, mittelalterlichen und touristischem Ramsch und Süßigkeiten aneinanderreihen.

Ich selbst war im Oktober zweimal dort. Einmal nachmittags und einmal am frühen Morgen und Vormittag. Am frühen Morgen gefiel mir die cité am allerbesten. Es waren kaum Menschen auf den Straßen, alles war in ein schönes Licht getaucht und ich konnte in einem Café, mit einem Croissant und Café au lait der Stadt beim Aufwachen zusehen.

Die cité von Carcassonne kostenlos erleben

Wer wie ich keine Eintrittstickets vorgebucht hat, kann auch abseits des Schlosses und der Museen einen kostenlosen Tag mit beeindruckenden Bildern in der cité erleben.

Die Basilika Saint-Nazaire in der cité von Carcassonne

Die Ursprünge der Basilika lassen sich bis ins 6. Jahrhundert zurückverfolgen. So stellt dieser selten schöne Sakralbau eine Mischung aus, wenn auch wenigen, romanischen und vor allem gotischen Elementen dar, die ihn wirklich einmalig machen. Besonders fasziniert haben mich die Fenster, die teilweise noch die Originalverglasung aus dem 14. Und 16. Jahrhundert haben.

Mein Tipp: am besten setzt man sich in die erste Reihe und lässt die Fenster, vor allem die beiden Rosetten links und rechts, auf sich wirken.

Ein Rundgang zwischen den Mauerringen

Der rund drei Kilometer lange Rundweg zwischen den Mauerringen ist abwechslungsreich und verdeutlicht auf Schritt und Tritt die ungeheure Verteidigungsmöglichkeit der Festungsanlage. Man fragt sich, wie sie überhaupt jemals eingenommen werden konnte?

Der Wohnmobilstellplatz von Carcassonne und ein Übernachtungstipp

Der Wohnmobilstellplatz liegt neben dem Campingplatz „Camping de la Cité“ und kostet zwischen 15,– und 18,– € für 24 Stunden. Die cité und auch die Unterstadt sind über einen herrlich schönen Spazierweg an der Aude zu Fuß schnell zu erreichen.

Auf meinen Spaziergängen in der cité habe ich aber noch einen besonderen Übernachtungsort für alle, die nicht mit dem Wohnmobil unterwegs sind, entdeckt. Die Jugendherberge von Carcassonne, die Mitten in der cité liegt und mit einer Übernachtung dort sicherlich noch mehr mittelalterliches Flair garantiert.